Welt-Frühgeborenen-Tag am 17. November

660 Gramm Geburtsgewicht – wie Frühchen Borisa sich ins Leben kämpft

  • Am 17. November machen Elternvertreter am Welt-Frühgeborenen-Tag auf die Belange dieser Kinder aufmerksam.
  • Mehr als 60.000 Babys kommen in Deutschland jedes Jahr zu früh auf die Welt.
  • Eines von ihnen ist die kleine Borisa, die nach nur 24 Schwangerschaftswochen zur Welt kam.

Anzeige

Als Borisa am 16. April 2022 das Licht der Welt erblickte, hatten die Eltern noch keinen Namen für sie ausgesucht. Die Geburt sollte erst in vier Monaten sein, doch mitten in einer komplikationslosen, unauffälligen Schwangerschaft war bei Aleksandra Adamova die Fruchtblase geplatzt.

Aleksandra Adamova wurde ins St.-Franziskus-Hospital in Münster gebracht. Einige Tage konnte die Geburt noch herausgezögert werden, dann setzten die Wehen ein und das 660 Gramm leichte Mädchen wurde nach nur 24 Schwangerschafts­wochen geboren.

Hilfsnetzwerk kümmert sich um Kind und Eltern

Klinikpersonal und Aleksandra Adamova mit Tochter Borisa auf dem Arm
Sie unterstützen Borisa (von links): Dr. Maike Franssen, Pia Kessmann, Aleksandra Adamova und Cordula van Dyk. | Foto: St.-Franziskus-Hospital

„Am Anfang ist man völlig hilflos“, erzählt die 37-jährige Bulgarin, für die Borisa bereits das dritte Kind ist. „Man steht neben dem winzigen Baby, das an vielen Schläuchen und Kabeln hängt, und kann überhaupt nichts tun.“

Aufgefangen werden die Eltern von einem großen Hilfsnetzwerk, das sich neben der medizinischen Versorgung des Kindes auch um die oft überforderten Eltern kümmert. „Als Frühchen-Eltern wird man einfach ins kalte Wasser geworfen“, weiß Pia Kessmann, Psychologin auf der Frühchenstation. „Es ist wichtig, mit jemandem sprechen zu können, denn die Angst ist gerade in der Anfangszeit ein ständiger Begleiter.“

Die Eltern können früh mithelfen

Auch bei praktischen Fragen gibt es Hilfestellung. So werden die Eltern von Anfang an eng in die Pflege ihrer Kinder einbezogen. Wickeln, füttern, umbetten – all das kann nach einer kurzen Anleitung übernommen werden. „Müttern und Vätern hilft es enorm, selbst ins Handeln zu kommen und sich kompetent zu fühlen“, sagt Pia Kessmann weiter.

Am schönsten aber ist das Kuscheln: Bereits an ihrem dritten Lebenstag wurde Borisa ihrer Mutter zum sogenannten „Känguruhn“ auf die Brust gelegt. Der Hautkontakt, die vertraute Stimme der Mutter, der beruhigende Geruch, eine Bezugsperson, die nicht nur pflegt, sondern auch die Seele streichelt. Auch das hilft beim Wachsen und Genesen.

Jährlich mehr als 60.000 Frühchen

Die perinatale Mortalität gibt an, wie viele Säuglinge tot geboren werden oder innerhalb der ersten sieben Lebenstage versterben. Nach Angaben des Institutes für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen überleben etwa 37 Prozent der allerkleinsten Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht von unter 500 Gramm diesen Zeitraum. Bei einem Geburtsgewicht zwischen 1.000 und 1.500 Gramm beträgt die Überlebenswahrscheinlichkeit bereits fast 91 Prozent. Zur Einordnung: Neun von zehn Neugeborenen wiegen bei der Geburt mehr als 2.500 Gramm und haben eine Überlebenschance von 99,8 Prozent. | sih

Mehr als 60.000 Kinder kommen in Deutschland jedes Jahr zu früh auf die Welt, knapp 10.000 davon mit einem Geburtsgewicht unter 1.500 Gramm. Auf diese Kinder, ihre Familien und ihre besonderen Bedürfnisse wird jährlich am 17. November, dem Welt-Frühgeborenen-Tag, aufmerksam gemacht.

Als zertifiziertes Perinatalzentrum Level 1 bietet das St.-Franziskus-Hospital Müttern und Babys die höchste Versorgungsstufe und betreut auch schon die allerkleinsten Frühgeborenen ab der Lebensfähigkeit und mit einem Geburtsgewicht unter 500 Gramm. „Bei so kleinen Frühgeborenen kann sich der gesundheitliche Zustand innerhalb kürzester Zeit immer wieder dramatisch ändern“, sagt Dr. Meike Franssen, Oberärztin der Neonatologie. „Deshalb müssen sie rund um die Uhr engmaschig betreut werden, damit wir alle Anzeichen eines Problems sofort erkennen und gegensteuern können.“

Nachsorgeschwestern unterstützen Familien zuhause

Auch bei Borisa waren die Monate nach ihrer Geburt ein ständiges Auf und Ab. Sie brauchte Unterstützung beim Atmen, musste operiert werden, war zeitweise auf einen künstlichen Darmausgang angewiesen. „Während dieser ganzen Zeit hat sich das Ärzte- und Pflegeteam nicht nur um meine Tochter, sondern auch um mich gekümmert“, erzählt Aleksandra Adamova.

Heute ist Borisa ein gesundes Baby. „Die erste Zeit zuhause ist trotzdem oft schwierig“, weiß Cordula van Dyk, die als speziell ausgebildete Nachsorgeschwester neben ihrer Tätigkeit im St. Franziskus-Hospital auch für den Bunten Kreis Münsterland e.V. arbeitet und in den ersten Wochen nach der Entlassung Hausbesuche bei den Familien macht. „Plötzlich fehlen die überwachenden Monitore und die Pflegekräfte, die bei jeder Frage helfen können und Sicherheit geben. Wir unterstützen zuhause mit unserem Fachwissen, aber auch durchaus bei alltäglichen Dingen wie zum Beispiel bei Terminkoordinationen.“

Borisa nach vier Monaten entlassen

Am 22. August wurde das kleine Mädchen schließlich aus dem Hospital entlassen. Zum Abschied bekam sie ein besonderes Geschenk: In einem liebevoll gestalteten Tagebuch hat das Stationsteam ihre Entwicklung in Fotos und Texten festgehalten. Zu Hause angekommen durfte sie dann auch endlich ihre beiden sechs- und achtjährigen Geschwister kennenlernen. Einen Namen hatte sie da natürlich längst: „Borisa“ ist bulgarisch und bedeutet „Kämpferin“.

Anzeige